Wir wollen stricken

Es ist jetzt ungefähr ein Jahr her, da mich Astrid aus meinem 100jährigen Strickschlaf holte. Sie hatte ein Angebot bekommen, für einen Designer zu stricken. Mein Status war zu dem Zeitpunkt: stricken ist solange okay, wie keine Ärmel gestrickt werden müssen. Was leider gar nicht bedeutet, dass hier jetzt jede Menge Schals herumliegen, eher Pullover ohne Ärmel. Pullunder? Irgendwie auch nicht. Nur alles UFOs. Immerhin war Astrid mehr oder weniger für meine Strickpause verantwortlich. Als wir uns vor 14 Jahren bei der Einschulung unserer Jüngsten kennenlernten, stellte sich bald heraus, dass sie nicht nur meine Pilatestrainerin werden, sondern mir auch noch das Patchworken beibringen würde. Genäht habe ich immer schon, sehr Freestyle, als ich um die 20 war. Da brauchte ich keine Schnitte, konnte ich, na klar, alles selbst. Als unsere beiden Mädchen noch klein waren, habe ich viel gestrickt. Als sie älter wurden, mehr genäht, das ging schneller und Spaß gemacht hat es auch. Richtig toll war es, für sie zu nähen, als sie 15 und älter wurden.  Man muss sich nur in ihre Köpfe hineinversetzen und wissen, dass das fertige Kleidungsstück in Stoff und Schnitt exakt so aussehen muss wie in der Burda. Ha! Total leicht. Die Stoffe findet man ohne weiteres... Natürlich gibt es Original-Burda-Stoffe zu kaufen, aber eben auch nicht immer.  Vermintes Gebiet also. Trotzdem war ich in den meisten Fällen erfolgreich. Als Astrid mir also das Patchworken beibrachte, kam die Sucht über mich. Den ersten Quilt habe ich aus Erinnerungsstoffen genäht. Der Wiegenhimmel der Mädchen wurde da genauso verarbeitet wie die kleinen selbstgenähten, in einer Ecke aufgehobenen Röcke. Lieblingsbettwäsche auch. Ich bin ein großer Aufheber. Und tatsächlich muss ich sagen, dass mir dieses Lebenskonzept Freude bereitet. Ich kann tatsächlich immer irgendwann irgendetwas gebrauchen. Wirklich. 

Zurück zur Sucht. An dem Punkt fällt mir immer Astrid's Mann ein, der lachen musste, als ich ihr einmal schrieb, mein Stoff sei angekommen. Aber ja, so ist es. Millionen von Kombinationsmöglickeiten mit abertausenden Stoffen und Mustern. Manchmal sind manche Stoffe sind so heilig, die müssen auf ihren Einsatz jahrelang warten. Aber irgendwann kommt für jeden Stoff seine Showtime. Und dann baaaaang, passt es. 

Bin immer noch nicht beim Stricken gelandet. 

Vor einem Jahr also das Angebot, für einen Designer zu stricken. Ich bin immer glücklich, wenn ich mit Astrid zusammen etwas machen kann. Es handelt sich dabei meist um Stoff oder Wolle und immer um viel Kreativität. Trotzdem habe ich gezögert. Ja eben, wegen der Ärmel. Ich fand aber, dass ich es mir trotzdem anhören könnte. Tellerrand und so. Astrid hatte schon den Auftrag, ein Kaschmirjäckchen zu stricken. Das Gespräch verlief sehr nett und enthusiastisch und am Ende kam ich mit Kaschmirwolle für einen Poncho heraus. Klasse, keine Ärmel, nur geradeaus stricken, allerdings mit einer Anleitung auf Englisch und jeder Menge Zöpfe. Direkt abends fing ich an, mich mit den englischen Begriffen vertraut zu machen. Zwei Stunden später flog alles in die Ecke. 

Jetzt bin ich jemand, der durchaus auch mal ein Projekt in die Tonne kloppt, ohne mit der Wimper zu zucken. Beim Nähen ist es hin und wieder vorgenommen. Manches ist so verfahren, dass der Spaßfaktor komplett auf der Strecke bleibt.

An diesem besagten Abend mit der englischen Strickanleitung kam es nur deswegen nicht dazu, weil es Zeit für's Schlafen war.

Am nächsten Tag war ich wieder ganz bei mir und versuchte mich auf's Neue. Und, was soll ich sagen, es war mühsam, es war entsetzlich langwierig, es hatte mich aber gepackt. Ich habe diesen Poncho in aller Herrlichkeit heruntergestrickt. Danach noch einen. Astrid strickte Jäckchen, leider mit weitaus mehr Mühe als ich. Ärmel eben. Außerdem auch noch Taschen. Ich muss an dieser Stelle die Story abkürzen. Das ist auch in einem einzigen Satz getan: Der finanzielle Lohn war der immensen Mühe nicht wert. Man trennte sich. 

Die nächste Schleife vor unserer Selbständigkeit war eine Schleife zuviel und so beschlossen wir, ach Mensch, das können wir doch alles eigentlich auch auf eigene Rechnung und mit richtig viel Spaß. Mit unseren Ideen, mit unseren Wollen und mit unserem Onlineshop. Zack, Tickets für die H + H in Köln gekauft. Und kaum ein halbes Jahr später war es am 18. November soweit, unser Shop ging online. Dazwischen haben wir Garne probegestrickt, Händler gesucht, abgewogen, welche Qualitäten und Farben bestellt werden würden. Eine ganz tolle Graphikdesignerin haben wir zwischendurch auch gefunden, sie hat im Grunde immer schon erahnt, was uns gefallen würde und genau so ist es dann auch geworden. Wir lieben unser Logo und unsere Farben. Danke, danke, danke, Anja!!!